keltische Religion und die Priesterklasse der Druiden

keltische Religion und die Priesterklasse der Druiden
keltische Religion und die Priesterklasse der Druiden
 
Wer sich von den Riten, Kulten und Mythen der Kelten ein Bild machen will, steht trotz zahlreicher neuer Erkenntnisse auf diesem Gebiet vor nicht geringen Schwierigkeiten. Dies liegt vor allem daran, dass unsere Kenntnis der keltischen Religion fast ausschließlich auf indirekten Zeugnissen beruht, die nur eng begrenzte Aussagemöglichkeiten bieten und darüber hinaus zeitlich und räumlich weit verstreut sind. An erster Stelle stehen die Bodenfunde, darunter vor allem Gräber, Kultstätten und Überreste kultischer Handlungen wie zum Beispiel Opfer. Von den Götterbildern stammen die meisten erst aus römischer Zeit und lassen daher bereits den Einfluss antiker Vorstellungen erkennen. Ergänzt werden diese Zeugnisse durch die Nachrichten antiker Autoren, die jedoch nur selten größere Zusammenhänge erkennen lassen und häufig tendenziös gefärbt sind. Die meisten modernen Darstellungen der keltischen Religion ziehen darüber hinaus auch neuere volkskundliche Aufzeichnungen und vor allem mittelalterliche irische und walisische Literaturwerke heran, doch ist man gegenüber der Aussagekraft dieser Quellen neuerdings wieder skeptischer geworden. Dagegen haben Neufunde altkeltischer Inschriften religiösen oder magischen Inhalts gerade in den letzten Jahrzehnten unser Bild der keltischen Religion um wesentliche Züge bereichert.
 
Im Mittelpunkt der keltischen Religion steht eine Vielzahl von Göttern und Göttinnen, von denen uns allerdings die meisten erst durch lateinisch geschriebene Weihinschriften aus dem römischen Gallien oder Britannien dem Namen nach bekannt sind. Dort wurden die keltischen Gottheiten häufig nach dem Prinzip der Interpretatio Romana mit ihnen vergleichbaren römischen Gottheiten identifiziert. Ausschlaggebend für die Gleichsetzung einer keltischen Gottheit mit einer römischen war dabei allem Anschein nach ihre Übereinstimmung in einer ganz bestimmten Hinsicht, die für uns häufig nicht mehr erkennbar ist. Die Funktion einer einheimischen Gottheit kann man daher anhand der Interpretatio Romana höchstens annäherungsweise bestimmen. In den Literaturwerken des christlichen Mittelalters werden die alten Götter in aller Regel als zauberkundige Menschen einer fernen Vergangenheit dargestellt. Welche Züge der Überlieferung hier tatsächlich bis in die vorchristliche Zeit zurückreichen, ist dabei nur schwer zu entscheiden. Vieles spricht dafür, dass die meisten keltischen Götter und Göttinnen nur regionale oder lokale Bedeutung besaßen. Ob es darüber hinaus auch noch »große« Götter von gesamtkeltischer Bedeutung gab, scheint demgegenüber eher fraglich.
 
Die Verehrung der Götter und Göttinnen fand ihren sichtbaren Ausdruck im gemeinschaftlich geübten Kult. Eine große Rolle spielten Opferungen von Gegenständen, Tieren und auch Menschen, die man häufig an besonders geweihten Orten vollzog. Solche Kultstätten waren vor der römischen Eroberung der keltischen Gebiete nur in Ausnahmefällen mit steinernen Bauten versehen. Meist beschränkte man sich auf einfache Einfriedungen des geheiligten Platzes mithilfe von Wällen, Gräben und hölzernen Palisaden. Kultbauten waren, sofern überhaupt vorhanden, ebenfalls aus Holz errichtet. Antike Autoren erwähnen häufig Heilige Haine, welche die Kelten selbst »nemeta« (Einzahl: nemeton) nannten. Im römischen Gallien bezeichnete man mit diesem einheimischen Begriff auch bereits das aus Stein erbaute Heiligtum oder den Tempel, und im Altirischen ist das Wort als Übersetzung des lateinischen »sacellum« (= kleine Kapelle) bezeugt. An manchen keltischen Kultstätten fanden sich neben den Spuren von Opfern auch Votivgaben, welche die Gläubigen in Erfüllung eines Gelübdes (lateinisch »ex voto«) der Gottheit darbrachten. So kamen an der Quelle der Seine und in einem weiteren Quellheiligtum bei Chamalières nahe Clermont-Ferrand seit den 1960er-Jahren Tausende von Holzskulpturen zutage, die in der Mehrzahl Personen, aber auch Gliedmaßen und innere Organe darstellten. Offensichtlich wurden diese Heiligtümer also vor allem von Kranken aufgesucht. Nicht wenige Kultstätten aus der Zeit der keltischen Unabhängigkeit bestanden auch nach der römischen Eroberung weiter, so etwa das seit 1975 erforschte Heiligtum von Gournay-sur-Aronde im Département Oise. In einigen Fällen wurde später über oder nahe dem vorchristlichen Heiligtum eine christliche Kirche erbaut.
 
Von zentraler Bedeutung für die Religion der Kelten waren nach dem Zeugnis der antiken Autoren ihre Priester, die Druiden. Der bekannten und ausführlichen Darstellung Caesars zufolge bildeten sie neben dem Adel die einzige angesehene und privilegierte Klasse in Gallien. In ihrer Obhut lagen der Kult, die Opfer, die Auslegung der religiösen Vorschriften und die Rechtsprechung. Wie Caesar weiter bemerkt, waren die Druiden landesweit hierarchisch organisiert. Ihre Ausbildung habe bis zu zwanzig Jahren gedauert und neben theologischen auch astronomische und naturwissenschaftliche Studien umfasst. Einzelne Züge dieses Bildes findet man auch in den Schilderungen anderer Autoren, doch ist die Zuverlässigkeit dieser Angaben bis heute umstritten. Nach der römischen Eroberung Galliens und Britanniens verlor das Druidenamt an Bedeutung und wurde 54 n. Chr. von Kaiser Claudius endgültig verboten. Die Spärlichkeit und Widersprüchlichkeit der antiken Nachrichten führte seit dem 18. Jahrhundert zu zahlreichen gelehrten Spekulationen über die Druiden, die vor allem in populären Darstellungen der Kelten und ihrer Religion bis heute nachwirken.
 
Ein Problemkreis eigener Art ergibt sich aus der Frage, welche Rolle die Magie oder der Zauber neben der Religion spielte. Gut bezeugt ist bereits bei den Kelten der späten Hallstatt- und La-Tène-Zeit der Gebrauch Schaden abwehrender Amulette. Eine Form von Schadenzauber ist dagegen die Verwendung bleierner Fluchtäfelchen (lateinisch »defixiones«), wie er unter dem Einfluss antiker Vorstellungen bei den romanisierten Kelten Galliens und Britanniens begegnet. In der mittelalterlichen irischen und walisischen Literatur findet man zahlreiche Hinweise auf die magische Wirksamkeit von Verwünschungen, auf den Zwang magischer Ge- oder Verbote sowie auf verschiedene Formen der Weissagung. Meist bleibt jedoch unklar, welche dieser Schilderungen der erzählerischen Fantasie entspringen und welche tatsächlich magische Praktiken der vorchristlichen Zeit widerspiegeln. Dabei ergibt sich eine zusätzliche Schwierigkeit daraus, dass die christlichen Autoren in der Regel auch religiöse Handlungen als Zauberei auffassten.
 
Dr. Bernhard Maier
 
 
Birkhan, Helmut: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Wien 1997.
 Duval, Paul-Marie: Die Kelten. Aus dem Französischen. München 1978.
 Lessing, Erich und Kruta, Venceslas: Die Kelten. Entwicklung und Geschichte einer europäischen Kultur in Bildern. Freiburg im Breisgau 1979.
 Maier, Bernhard: Lexikon der keltischen Religion und Kultur. Stuttgart 1994.

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Druiden — Die Druiden waren eine Art kultischer und geistiger Elite in der keltischen Gesellschaft. Die heutzutage vorliegenden Erkenntnisse stammen aus römischen und christlich mittelalterlichen Quellen. Von den Druiden unterschieden werden die keltischen …   Deutsch Wikipedia

  • Stonehenge — im Juli 2008 51.178888888889 1.8263888888889 Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Anrufung Irlands — Die Druiden waren eine Art kultischer und geistiger Elite in der keltischen Gesellschaft. Die heutzutage vorliegenden Erkenntnisse stammen aus römischen und christlich mittelalterlichen Quellen. Von den Druiden unterschieden werden die keltischen …   Deutsch Wikipedia

  • Druide — Die Druiden waren eine Art kultischer und geistiger Elite in der keltischen Gesellschaft und Mythologie. Die heutzutage vorliegenden Erkenntnisse stammen weitestgehend aus römischen und mittelalterlichen christlichen Quellen. Von den Druiden… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”